Learnings
Unter einer Begriff “T-Shaped Person” verstehen wir eine Person, die 1-2 Spezial-Themen beherrscht (der senkrechte, stabile, tragende Balken des Buchstaben “T”) aber sich auch in anderen Bereichen zumindest ansatzweise auskennt (die horizontale Balken des T, der in beide Richtungen schaut). Ein “T-Shaped Team” setzt sich damit zusammen aus Spezialisten auf verschiedenen Gebieten. Diese Spezialisten können (und wollen) aber ggf. auch andere Teammitglieder in anderen Fachgebieten unterstützen, die ihnen weniger bekannt sind. Ein solches Team geht viel besser mit Ausfälle, Abwesenheiten, ungleichmäßige Auslastung um, als ein Team, das aus reinen Spezialisten besteht, die andere Aufgaben entweder nicht beherrschen oder nicht beherrschen wollen. Diese Übung macht diesen Vorteil von T-Shaped Teams erlebbar.
Anzahl Teilnehmer
- mindestens ein Team mit 3 Teilnehmern, skalierbar
Vorkenntnisse
- keine
Material
- Pro Team ein Satz mit Zitaten (siehe Anhang) oder kurzen Sätzen ungefähr gleicher länge.
- ca. 30 leere Blätter pro Team, auf denen die Zitate kopiert werden (mindestens DIN A6)
- Ein Stift pro Teilnehmer (Sharpies, Kugelschreiber oder ähnliches)
- Flipchart (vertikale links die Teams A, B, …n; horizontal die Runden 1 bis 3 – oder umgekehrt) + Flipchartmarker
Vorbereitung
- Ausdrucken der Zitate / Sätze
- Bereitstellung der Materialien (Blätter, Stifte)
Durchführung / Regeln
- Erklärung: “Eure Aufgabe ist sehr einfach. Ihr müsste lediglich die vor euch liegenden Zitate auf die vor euch liegenden leeren Blätter kopieren. Dies werden wir in drei Runden üben.”
- Jede Runde dauert ca. 3 Minuten.
- Am Ende jeder Runde wird die Anzahl der vollständig kopierten und korrekten Zitate pro Team notiert.
- Runde 1
- Erklärung: “In eurem Teams befinden sich nur Spezialisten. Zwei der Spezialisten können lediglich Konstanten schreiben. Der andere Spezialist kann lediglich Vokale und Sonderzeichen schreiben. Ihr möchtet euch auch nicht in die Domäne der jeweils anderen Spezialisten einmischen. Die Arbeit läuft sequentiell ab, d.h. ein Konsonant-Spezialist schreibt solange Konsonanten, bis er auf ein Vokal stößt. Anschließend gibt er das Blatt an den Vokal-Spezialisten weiter und umgekehrt. Es dürfen mehrere Zitate parallel kopiert werden.”
- Runde 2
- Erklärung: “Ein Berater einer Consultant-Firma kommt zu euch und schlägt euch eine neue Strategie vor: Die Experten dürfen jeweils Konsonanten / Vokalen schreiben. Bei den Buchstaben und Zeichen, die sie nicht schreiben können, lassen sie eine Lücke. Die Lücken werden dann vom jeweils anderen Spezialisten später gefüllt.”
- Runde 3
- Erklärung: “Ihr wagt es, euch mit den jeweils anderen Spezial-Gebieten vertraut zu machen. Selbstverständlich könnt ihr hier noch nicht dieselbe Geschwindigkeit und Geschick aufnehmen wie in eurem Spezialgebiet. Daher schreibt ihr auf eurem Spezialgebiet mit eurer dominierenden Hand, auf dem anderen Gebiet mit eurer nicht-dominierenden Hand (z.B. ein rechts-händiger Konstanten-Experten schreibt Konsonanten mit der rechten Hand, und Vokale mit der linken Hand).”
- Runde 4
- Erklärung: “Mit den bekannten Einschränkungen aus der vorherigen Runde habt ihr nun die Möglichkeit euch vollkommen frei zu organisieren.”
Reflektion
- Lasst uns die Ergebnisse anschauen. Wo wart ihr am besten? Welche Erklärung habt ihr dafür?
- Mit welcher Arbeitsweise seid ihr am meisten vertraut? Nennt bite ein paar Beispiele. Welche Arbeitsweisen kennt ihr aus anderen Bereichen?
- Warum arbeitet ihr auf diese Art und Weise?
- Habt ihr eine der anderen Arbeitsweise ausprobiert? Welche Resultate habt ihr erzielt?
- Würdet ihr einmal ausprobieren eure Arbeitsweise zu ändern? Was erwartet ihr davon? Was würde euch daran hindern?
- Habt ihr die Zitate gelesen und verstanden? Ab welcher Arbeitsweise habt ihr sie verstanden? Warum denkt ihr, ist das so? Ist es wichtig die Zitate zu kennen? Warum ist das (nicht) so?
- Habt ihr etwas dazugelernt?
- Möchtet ihr andere Spezialgebiete / Arbeiten kennenlernen? Warum? Warum nicht?
- Wer arbeitet in einem Team? Wird die erledigte Arbeit aus Teamsicht betrachtet oder aus Sicht einzelner Personen in dem Team? (“Wir wären besser gewesen, aber X hat es mal wieder nicht geschafft …”)
- Welche weiteren Vorteile bietet die letzte Arbeitsweise? (Wissenstransfer, Abwesenheiten, …)
- In welchen anderen Domänen / Bereichen kannst Du Dir ein T-Shape vorstellen (Kultur, Softskills, etc.)
Varianten
- Die Zeit für das Schreiben kann variiert werden. Zwischen 3 und 5 Minuten habe ich die besten Erfahrungen gemacht – die Dauer pro Runde muss der Vergleichbarkeit der Ergebnisse wegen gleich sein.
Debriefing
- Siehe Einführung unter Learnings
Erfahrungen
- Je nach Gruppe habe ich immer spannende und (nahezu) ganz unterschiedliche Diskussionen in der Reflexion – häufig abhängig von der Berufsgruppe.
- Es gibt beliebte und unbeliebte Aufgaben
- Einige Spezialisten sagen, dass sie nur auf ihrem Fachgebiet tätig sein wollen und keine Lust auf andere Aufgaben haben (“dafür werde ich nicht bezahlt”) – teilweise auch, weil sie sich dies als “Spezialisten erlauben können.”
- Einige haben Angst davor, dass wenn sie (aus ihrer Sicht) unbeliebtere Aufgaben mit übernehmen, diese später an ihnen hängen bleiben.
- …
- Personen fühlen sich wohl in ihrer Komfortzone (ihrem Spezialgebiet) und haben Angst auf anderen Gebieten schlechter zu sein (möchten dies nicht zeigen).
- Bei Fehlern hat man die Möglichkeit auf die “schwächere” Person zu zeigen.
- Silo-Denken ist stark verankert (“mein Chef will das nicht”)
- Müsste man eigentlich mal ausprobieren.
- …
- Es gibt beliebte und unbeliebte Aufgaben
- Ich kann empfehlen diese Übung innerhalb eines Teams im Rahmen einer Retrospektive durchzuführen. Ihr könnt hieraus direkt Maßnahmen ableiten, wie im nächsten Sprint zusammengearbeitet wird. Ringt dem Team ein Commitment ab, es einmal so auszuprobieren. Häufig besteht in einem Team der Wunsch nach Weiterbildung. Diesem Wunsch kann man durch die Übernahme von neuen Themen (auch im Rahmen von Pair-Programming) gut nachkommen. Die Vorteile sollten dem Product Owner nahegebracht werden.
- Das Spiel gelingt immer. Ich habe es sogar schon mit 2 x 2er Teams gespielt. Das ist nicht ideal (da es mehr Konsonanten als Vokale gibt), aber der Lerneffekt kommt zustande.
- Achtet darauf, dass die Kopien (Ergebnisse aus der vorherigen Runde) nach jeder Runde eingesammelt oder weggelegt werden, damit diese nicht erneut mitgezählt werden – insbesondere wenn die Tische (Flächen) für die Teilnehmer klein sein. Auf dem Tischen herrscht in der Regel Hektik und Unordnung.
- Achtet darauf, dass ihr jedem Team einen eigenen Satz von Zitaten gebt. Die Teams können sich die Zitate zwar teilen, häufig sind diese dann aber derart auf den Tischen verteilt, dass Teams keinen Nachschub an neuen Zitaten haben (oder durch die Beschaffung unnötig im Flow unterbrochen werden).
- Die Teilnehmer dürfen bereits kopierte Zitate nochmals verwenden (kopieren). Idealerweise sind alle Zitaten (in etwa) gleich lang – häufig nehmen die Teams sonst die “leichten” kurzen Zitaten zum Kopieren. Ich habe es zwar schon beobachtet, es ändert allerdings nichts am Learning (ein fairer Wettbewerb untereinander kann dann aber nicht mehr gewährleistet werden).
- Falls jemand das mit dem Schreiben zu abstrakt findet, erklärt dem Team, dass es sich um eine einfache Metapher handelt. Vielleicht kommt das Team aber auf andere (oder sogar bessere) Metaphern. Ich würde mich freuen, wenn ihr diese in den Kommentaren teilen würdet.
- Ich habe es noch nicht ausprobiert, die Übung sollte aber auch mit größeren Teams funktionieren. Die Teams müssen nur gleich groß sein, wenn man einen Wettbewerb untereinander forcieren möchte.
- Die vierte Runde habe ich hinzugefügt, weil häufig die Diskussion auftritt, dass man in der dritten Runde doch eher alleine arbeitet anstatt im Team (wie in den Runden davor). Trotzdem geht das Learning nicht verloren. Der Fokus sollte zurückgebracht werden auf – “schaut über den Tellerrand und übernehmt auch Aufgaben, die nicht zu eurem Spezialgebiet gehören, damit man als Team schneller vorankommt.”
- Es kommen häufig Diskussionen über die Qualität auf. Gerade in Runde drei ist die Schrift mit der nicht-dominierenden Hand eher schlecht lesbar. Man kann diesen Aspekt natürlich noch mit reinbringen, z.B. Punkteabzug falls etwas nicht lesbar ist. Dies führt meines Erachtens aber zu weit und zieht den Fokus etwas weg von dem eigentlich Learning. Die Simulation wird meiner Ansicht nach zu komplex, wenn man neben den Vorteilen des T-Shaped Teams noch auf Qualität eingeht.
- Eine weitere Diskussion die häufig auftritt – in den Runden 1 und 2 lesen die Personen die Zitate häufig nicht richtig, d.h. sie fokussieren sich auf ihren Teil der Arbeit. Dies lässt sich auch sehr gut in einem Debriefing einbauen.
Quelle
- Ich habe das Spiel von Mark Webb (auf der #play14 2015 in London) gelernt. Die Quelle für das Spiel soll John Sextro sein.
- One year – Learning By Playing Meetup - 28/10/2018
- Impact Feedback - 13/03/2018
- T-Shaped Game – Consontants and Vowels - 24/01/2018